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Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 16 UF 171/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1587 c Nr. 1 | |
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 |
Oberlandesgericht Stuttgart - 16. Zivilsenat - - Familiensenat -
Geschäftsnummer 16 UF 171/04
Beschluss
vom 31. März 2005
In der Familiensache
wegen Versorgungsausgleich
hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung
des Richters am OLG Kodal, der Richterin am OLG Hütter und des Richters am AG Malinka
beschlossen:
Tenor:
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen das Urteil des Amtsgerichts, Familiengericht, Ravensburg vom 03.06.2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3. Beschwerdewert: 2.000 €
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Berücksichtigung der Kürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung im Versorgungsausgleich als Folge seiner in Aussicht genommenen Frühpensionierung.
Die am 03.07.1951 geborene Antragstellerin und der am 08.08.1945 geborene Antragsgegner hatten am 09.06.1976 die Ehe geschlossen. Auf den dem Antragsgegner am 30.04.2003 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Ravensburg durch Urteil vom 03.06.2004 die Ehe der Parteien geschieden. Das Arbeitsverhältnis des Antragsgegners bei der Energie-Versorgung Schwaben AG war durch Aufhebungsvertrag vom 22.04.1999 zum 31.12.1999 beendet worden.
Zum Ausgleich des Wertunterschiedes der Versorgungsanwartschaften hat das Familiengericht Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung im Gesamtwert von 502,52 € monatlich (alle Angaben bezogen auf das Ende der Ehezeit, die gemäß § 1587 Abs. 2 BGB vom 01.06.1976 bis zum 31.03.2003 rechnet) vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) auf das der Antragstellerin bei der LVA Baden-Württemberg übertragen und die Parteien im übrigen auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.
Dem Antragsgegner stehen Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung bei der EnBW zu. Das umgerechnete dynamische betriebliche Versorgungsanrecht des Antragsgegners beläuft sich, dem Gutachten des Sachverständigen Glockner folgend, auf 616,18 € monatlich. Der Arbeitgeber hat ihm eine Gesamtversorgung mit einem Jahresbetrag von 27.772,08 € zugesagt, die sich zusammensetzt aus der Rente bei der BfA und der betrieblichen Altersversorgung. Nach § 4 der Ruhegeldordnung der EnBW erhalten dabei Ruhegeldempfänger, die nach vorheriger Inanspruchnahme der Frühpensionsregelung Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beanspruchen, den jeweiligen prozentualen Abschlag aus der Sozialversicherungsrente zu 50% vom Unternehmen erstattet, während ansonsten die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung generell mit dem Rentenzugangsfaktor 1 angerechnet wird.
Das Familiengericht hat den Ehezeitanteil der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung den Auskünften der Rentenversicherungsträger entnommen, die mit Zugangsfaktor 1 gerechnet haben, und den Versorgungsausgleich wie folgt durchgeführt:
Antragsgegner : | Antragstellerin : | ||
BfA-Anwartschaften | 1.017,52 € | LVA | 107,68 € |
BAV bei der ENBW | 616,18 € | ||
insgesamt | 1.633,70 € | insgesamt | 107,68 € |
Wertunterschied | 1.526,02 € |
Den Wertunterschied der Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherungen hat das Familiengericht gemäß § 1587 b I BGB durch die Übertragung von monatlich 454,92 € auf das Rentenversicherungskonto der Antragsteller ausgeglichen.
Das betriebliche Versorgungsanrecht ist in Höhe von 308,09 € monatlich auszugleichen. Dies hat das Familiengericht durch erweitertes Splitting gemäß § 3 b Abs. 1 Nr.1 VAHRG, beschränkt auf den Grenzbetrag von 47,60 €, durchgeführt. Wegen des restlichen Ausgleichsbetrages von noch 260,49 € wurden die Parteien auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels macht er geltend: Der Antragsgegner habe sich durch Aufhebungsvertrag vom 22.04.1999 verpflichtet, zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen Antrag auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen. Dies werde voraussichtlich mit Erreichen des 60. Lebensjahres am 8.8.2005 der Fall sein. Bei Bezug der Rente ab dem 60. Lebensjahr müsste der Antragsgegner einen Rentenabschlag von insgesamt 18 Prozent hinnehmen. Er beantragt daher, nicht den Ehezeitanteil der Vollrente von 1.017,52 €, sondern den um 18 % geminderten Anteil von 834,37 € anzusetzen .
Die in der Durchführung des Versorgungsausgleichs durch das Familiengericht liegende grobe Unbilligkeit i. S. des § 1587 c Nr. 1 BGB folgt nach Auffassung des Antragsgegners daraus, dass die Antragstellerin vom Abfindungsbetrag in Höhe von vorläufig brutto 322.660,00 DM, der dem Antragsgegner nach dem Aufhebungsvertrag in monatlichen Teilbeträgen entsprechend der seitherigen Monatsvergütung ausbezahlt wird, unterhaltsrechtlich partizipiert. Die äußerst bescheidene, niedrige Rentenanwartschaft der Antragsgegnerin (bis zum Ende der Ehezeit insgesamt 237,77 € unter Einschluss der vorehelich erworbenen Anwartschaften bei einem Zugangsfaktor von 1) stehe dem nicht entgegen. Derzeit erhalte die Antragstellerin 652 € Ehegattenunterhalt und 205 € Pflegegeld nach Stufe 1, während der Antragsgegner eine Pension von etwa 1400 € erhalte.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich nicht zu beanstanden ist.
1.
Nimmt der Versicherte die Rente vor Erreichen des 65. Lebensjahres in Anspruch, wird von der Vollrente mit dem Zugangsfaktor 1,0 ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen, indem vom Zugangsfaktor 1,0 für jeden Kalendermonat 0,3% abgezogen werden, § 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI.
Nach dem Wortlaut des § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Versorgungsausgleich jedoch der Betrag zugrunde zu legen, der sich am Ende der Ehezeit aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors als Vollrente wegen Alters ergäbe. Damit sollen sich persönliche Umstände des Versicherten nicht auswirken, die nur den für den Versicherten bestimmten Zahlbetrag betreffen. Solche individuellen Auswirkungen, die nicht die Rentenanwartschaften als Entgeltpunkte selbst berühren, sondern nur den Rentenanspruch, sind vom System des Versorgungsausgleichs grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (vgl. Soergel/Schmeiduch, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., Rdnr. 122 zu § 1587 a). Hier liegt eine in etwa vergleichbare Regelung wie beim Abzug der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und zur Pflegeversicherung vor, die sich nicht auf die Entgeltpunkte selbst, sondern letztlich nur auf den Zahlbetrag auswirken. Die Regelung hat im Zusammenspiel mit §§ 1587 b Abs. 6 BGB, 76 Abs. 4 SGB VI zur Folge, dass die beiderseits in der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte hälftig geteilt werden ohne Rücksicht darauf, welche Rentenleistungen daraus entsprechend dem individuellen Versicherungsverlauf der Ehegatten fließen (werden).
In Fällen des Rentenbezuges aufgrund einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass - abweichend vom Gesetzeswortlaut - vom tatsächlichen ("wahren") Wert des Rentenbezuges auszugehen sei (vgl. Staudinger/Rehme, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl, Rdnr. 239 zu § 1587 a, der eine teleologische Reduktion des Abs. 2 Nr. 2 fordert; Soergel/ Häußermann, Bürgerliches Gesetzbuch, 13. Aufl., Rdnr. 241 zu § 1587 a; OLG Celle, FamRZ 2004, 513 ff.; a.A.: Palandt/Brudermüller, Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Aufl., Rdnr. 44f zu § 1587 a; OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 863).
Aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung sind nach Auffassung des Senats die Ehezeitanteile der Anwartschaften zu berücksichtigen, die sich bei einem Zugangsfaktor 1 ergeben. Denn sie macht nur Sinn, wenn der Gesetzgeber gerade die Möglichkeit bedacht hat und geregelt wissen wollte, dass die Ehegatten zu unterschiedlichen Zeiten und daher mit unterschiedlichem Zugangsfaktor in den Ruhestand treten. Gerechtigkeitsdefizite ergeben sich daraus regelmäßig nicht, weil dem Nachteil der verminderten Rentenhöhe bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Vorteil des längeren Rentenbezugs ausgleichend gegenübersteht. Wenn überhaupt, so sind sie auch erst zu erkennen, wenn beide Ehegatten bereits die (endgültige) Altersrente beziehen:
Beim Ausgleich von Anwartschaften vor diesem Zeitpunkt steht der Wert der Renten ab Rentenbezug noch gar nicht fest. Es ist daher - wie bei Anwartschaften üblich - von einem fiktiven Versicherungsverlauf auszugehen. Diese Unsicherheit mag zwar beim Antragsgegner mit Eintritt des 60. Lebensjahres - also in wenigen Monaten - beendet sein. Bei der Antragstellerin dagegen, die erst 53 Jahre alt ist, ist der Beginn des Rentenbezuges unklar. Sollte sie, wie der Antragsgegner, ebenfalls ab dem 60. Lebensjahr Altersrente beziehen, hätte auch sie den Abschlag von derzeit 18 % hinzunehmen.
Eine Berücksichtigung des (voraussichtlichen) Zahlbetrages von 834,37 € auf Seiten des Ehemannes an Stelle des ungekürzten Betrages würde auch mitnichten zur Halbteilung des ehezeitlichen Rentenzuwachses beiderseits führen: Der Ausgleichsbetrag würde sich dann auf (834,37 € - 107,68 €) : 2 = 363,35 € belaufen. Die Umrechnung in Entgeltpunkte nach §§ 1587 b Abs. 6 BGB, 76 Abs. 4 SGB VI führte zu einer Verminderung beim Ehemann und einem Zuwachs bei der Ehefrau von jeweils 14,0507 Entgeltpunkten. Dem Ehemann blieben, bezogen auf die Ehezeit, 25,2965 Entgeltpunkte und bei einem Zugangsfaktor von 0,82 eine Bruttorente von 536,42 €. Die Ehefrau brächte es auf 18,2146 Entgeltpunkte und damit auf eine auf die Ehezeit bezogene Rentenanwartschaft von 471,03 € - wohlgemerkt bei einem unterstellten Zugangsfaktor von 1,0; bei vorzeitiger Inanspruchnahme wäre der Zahlbetrag entsprechend geringer.
Dass dies dem Grundsatz der Halbteilung widerspricht, liegt auf der Hand. Um einen beiderseits annähernd gleichen Zahlbetrag (von 506,95 bzw. 506,96 €) zu erreichen, müsste man (bei Unterstellung eines künftigen Rentenbezugs der Ehefrau ab Endalter 65) einen Ausgleichsbetrag von 399,28 € entsprechend 15,4401 Entgeltpunkte festsetzen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2004, 378, 379).
2.
Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist auch nicht nach § 1587c Nr. 1 BGB zu korrigieren.
Eine teilweise Kürzung der Anrechte nach § 1587 c BGB setzt das Vorliegen von Umständen voraus, durch die insgesamt die Durchführung des ungekürzten Versorgungsausgleichs wegen einer Versorgungsdifferenz als grob unbillig zu bewerten wäre.
Mit dem Halbteilungsgrundsatz wäre es nicht vereinbar, wenn die Antragstellerin nach Durchführung des ungekürzten Versorgungsausgleichs eine deutlich höhere Nettoversorgung hätte als der Antragsgegner (vgl. BGH FamRZ 1999, 105). Dies ist nicht der Fall: Der Ausgleichsbetrag, der sich aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs ergibt, wird von der ungekürzten Rente abgezogen und nur der Restbetrag der Rente der Kürzung unterworfen. Bei einer gleichmäßigen Verteilung der in der Ehezeit erworbenen (und nur beim Ehemann gekürzten) Anrechte wäre jeder Partei ein Restanspruch, bezogen auf das Ehezeitende von 506,96 € [(1017,52 - 399,28 Ausgleichsanspruch, s.o.) *82%] zuzusprechen. Die Abweichung vom Restanspruch des Antragsgegners von 461,33 €, den das Familiengericht errechnet hat, beträgt rund 46 € monatlich, der Ausgleichsbetrag differiert um rund 55 € oder 6,67 % der (gekürzten) Anwartschaft des Ehemannes aus der Ehezeit. Eine derartige Differenz widerspricht nicht dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe beider Parteien an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften, da nicht jede Ungleichheit in der Versorgung die Anwendung von § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigt.
Diese Härteklausel greift vielmehr nur ein, wenn die Durchführung des ungekürzten Versorgungsausgleichs zu einem erheblichen und damit grob unbilligen wirtschaftlichen Ungleichgewicht führen würde (vgl. BGH a.a.O.; BGH FamRZ 1995, 413, 414).
Das ist hier schon deshalb nicht festzustellen, weil noch völlig ungewiss ist, in welchem Alter die Ehefrau in den Ruhestand tritt.
Im übrigen trägt die EnBW aufgrund der Versorgungszusage bis zur Erreichung des 65. Lebensjahres die Hälfte des Abschlages, so dass sich der Nachteil für den Antragsgegner weiter vermindert.
Zudem wird die Rente des Antragsgegners bei der BfA wegen § 5 VAHRG nicht gekürzt, solange die Antragstellerin unterhaltsberechtigt ist und noch keine eigene Rente bezieht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a FGG.
Gemäß § 621e II i.V.m. § 546 I 2, 3 ZPO ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da die Frage der Bewertung eines Versorgungsanrechts bei Bezug vorgezogenen Altersruhegeldes grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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